Die Amraser Matschgerer in der aktuellen Ausgabe von Freizeit Tirol

AMRASER MATSCHGERER

Ausgabe 14/Nov. 21 – Feb. 22


2020 wurden die Amraser Matschgerer in das „Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO Österreich“ aufgenommen. Somit reiht sich der kleine Innsbrucker Stadtteil mit seiner Fasnacht bei den großen Tiroler Umzügen wie Telfs, Imst oder Fiss ein FREIZEIT-TIROL bat den aktuellen Vereinsobmann, Bernhard Egger, im Oktober 2021 zum ausführlichen Rückblick


Seit wann gibt es die Amraser Matschgerer?
Der Zeitpunkt des tatsächlichen Ursprungs der Matschgerer lässt sich nicht nachvollziehen. Wobei zu sagen ist, dass sich der Name „Matschgerer“ sicherlich erst im Wandel der Zeit entwickelt hat, da zur damaligen Zeit laut der Volkskunde der Name „Huttler“ als Überbegriff geläufig war. Der momentan älteste schriftliche Nachweis stammt aus der „Causa Domini 1628 – 1629“, Band 24-002/003, des Tiroler Landesarchivs Innsbruck, wo der dortige Richter 1629 aus dem spielfreudigen Dorfe Amras, über das Fortbestehen der alten Fastnachtsspiele berichtet. Laut den Volkskundlern ist aber auf Grund des ersten Nachweises davon auszugehen, dass der Ursprung weit vor der ersten Erwähnung liegen dürfte. Bereits im Jahre 1653 wurde im Verfachbuch 1653, Tiroler Landesarchiv Innsbruck, das Schellenschlagen in Amras erwähnt, wo „höchst sträfliche Insolentien und Ungebühr“ festgestellt wurden und dem dortigen Richter eine Nase erteilt wurde. In einem Eintrag in den „Causa Domini“ vom 3. Februar 1672 wird beschrieben, dass die Fasnacht in den Dörfern des Gerichtes Sonnenburg passieren darf, aber ohne Waffen sowie ohne dicke Stecken. Auch teuflische Larven und Aufzüge wurden verboten und bei nicht Einhaltung unter empfindliche Strafen gestellt. 1707 wurden dann alle Arten von Aufführungen mit Verkleidungen, Maskeraden, das Schemenlaufen (Schellenschlagen) und auch alle anderen unzulässigen Üppigkeiten in den öffentlichen Gassen verboten.

Auch Maskenumzüge wurden immer wieder in Amras organisiert?
Der momentan älteste schriftliche Nachweis eines Maskenumzugs in Amras stammt aus den Innsbrucker Nachrichten vom 17. Februar 1906. Auch vom 23. Jänner 1914 (Innsbrucker Nachrichten), 16. Februar 1928 (Tiroler Nachrichten), 23. Jänner 1929 (Tiroler Anzeiger) und am 18. Februar 1930 (Tiroler Anzeiger sowie Innsbrucker Nachrichten) werden Maskenumzüge in Amras beworben. Von der Zeit der ersten Erwähnungen bis zur offiziellen Vereinsgründung im Jahre 2003 durch unserem damaligen Obmann Rene Geiger, waren die Matschgerer eine lose Vereinigung, die das Brauchtum und die Traditionen der Amraser aufrechterhielten und von Generation zu Generation weitergaben. Von Anfang an bewahrte sich in Amras die Tradition und das Brauchtum der Amraser Matschgerer und das wird bis heute mit viel Sorgfalt weiter gepflegt. Dass es dabei zu unterschiedlichen Interpretationen der Herkunft der Figuren und des Zweckes des Brauches kommt, ist nur der Beweis einer differenzierten Auseinandersetzung.

Wie hat sich die Fastnacht in Amras entwickelt?
1938 wurde Amras eingemeindet und somit ein Stadtteil von Innsbruck. Es hat aber bis heute dörflichen Charakter behalten, nicht zuletzt wegen dem regen Vereinsleben und dem Erhalt von altem Brauchtum und vieler Traditionen. Deshalb wird Amras umgangssprachlich als „Das Dorf in der Stadt“ bezeichnet. Zur Entwicklung der Fastnacht sei gesagt, dass soweit man es zurückverfolgen kann, die acht Figuren der Amraser Matschgerer immer schon vorhanden waren. Dazu gehören: „Der Herr“, „Der Bujazl“, „Die Hexe“, „Der Kurz“, „Der Zaggeler“, „Der Zottler“, „Der Bär“ und „Der Bärentreiber“. Nicht zu vergessen ist der Ziachorgelspieler, der ein fixer Bestandteil der Matschgerer ist, ohne den kein Auftritt möglich wäre. Sowohl für die Hüte als auch für die Gewandung wurde an Materialien seit jeher das genommen, was gerade vorhanden war.

Der unsinnige Donnerstag startet in Amras ja sehr früh am Morgen?
Der unsinnige Donnerstag wird auch als der Feiertag in der Amraser Fastnacht bezeichnet. Schon um halb vier Uhr in der Früh treffen sich die Burschen und Männer beim ersten Bauernhaus zum Schellenschlagen und werden von der ersten Station an mit einem Frühstück bestens bewirtet. Dieser uralte Brauch wird „in zivil“ bis ca. sieben Uhr im gesamten Dorf durchgeführt. Am Vormittag sind dann die Karner, die Besitzlosen oder wie sie auch genannt werden „das „Gsindl“ am Weg und betteln in den Häusern mit viel Geraunze um etwas Essen und Trinken. Die Kleidung dieser Gesellen ist sehr schlicht und einfach gestaltet. Der Gesichtsausdruck der Larven deutet auf das schwere Leben dieser Personen hin. Die Gaben, wie Eier, Speck, Wein und ähnliches, werden im sogenannten „Karnergrat`“ (Leiterwagen) verstaut, bevor sie durchs Dorf zur nächsten Station ziehen. Gleichzeitig drehen am Vormittag des unsinnigen Donnerstages die „Goaslschneller“ ihre Runde durchs Dorf. Vor den Labestationen wird jeweils vor dem Eintritt und nach dem Austritt geschnellt. Die Kleidung ist dabei sehr traditionell. Mit dem „Goaslschnellen“ und dem lauten Überschallknall, den die Goasl erzeugt, soll die kalte Jahreszeit vertrieben und Platz für die warme Jahreszeit gemacht werden. Für das anschließende, gemütliche Verweilen in den Häusern ist auch ein Ziachorgelspieler dabei.
Mittags um 13.00 Uhr beginnt dann das „Schellenschlagen in Weiß“. Dabei ist der Bujazl derjenige, der den Takt angibt. Die Bekleidung ist in Rot/Weiß gehalten oder in Karo mit Zipfelmütze, das Gesicht ist geschminkt. Auch ein Besen gehört zu dieser Figur dazu. Den lautstarken Anweisungen folgen die Schellenschlager mit einer fix vorgegebenen Schrittfolge. Die Kleidung ist einheitlich und unterscheidet sich nur in kleinen Details wie z.B. den Trachtentüchern, Larven und Strohhüten. Ein weiterer fixer Bestandteil am unsinnigen Donnerstag ist schon seit über hundert Jahren die Versteigerung: Von der Freiwilligen Feuerwehr Amras werden vor dem Gasthaus Bierwirt allerlei am Vormittag gesammelte Gegenstände zum Ersteigern angeboten.

Am Abend treffen sich die Matschgerer im Haus der Vereine, aber auch Aufführungsgruppen in privaten Räumlichkeiten. Dann ziehen die „Schiangruppe“ (Matschgerer) und Aufführungsgruppen von Haus zu Haus. Es werden traditionelle Aufführungen wie „Voglforcher“ und „Affengruppe“ bis hin zu nachgespielten Fernsehsendungen und aktuellen Themen gezeigt. Diese werden natürlich auf lustige Art und Weise umgeschrieben und auch so dargeboten. All diese über den Tag verteilten Bräuche und Traditionen werden ausschließlich von den Mitgliedern der Amraser Matschgerer durchgeführt. Da heißt es sich den Tag gut einzuteilen!

Was sind die Einzigartigkeiten der Amraser Matschgerer?
Die Amraser Matschgerer haben mehrere Eigenheiten, mit denen sie sich von anderen Fasnachten unterscheiden. Zum einen ist es die Schrittfolge und die dazugehörige Melodie, mit der die Matschgerer in ein Haus oder in einen Saal bei ihrem Auftritt eindringen. Zum anderen ist es der Kurzhut von der Figur „Kurz“ („Der Schiane“), der in seiner Art einmalig ist und in keiner anderen Fastnacht vorkommt. Auch der Zottler, den man vielleicht aus anderen Fastnachten kennt, hat ein Alleinstellungsmerkmal. Er trägt am Habitus, auf der so genannten „Fellseite“, ein Schaffell mit einem Greifvogel. Auch das gibt es in dieser Form nur bei uns. Ebenso ist der Beginn der Amraser Fastnacht mit dem 20. Jänner bis zum Fastnachtsdienstag eine Eigenheit.

Wie läuft der Fasnachtdienstag in Amras ab?
Der Fasnachtsdienstag ist der letzte Tag in der Amraser Fastnacht. Am Abend treffen sich alle Mitwirkenden zum sogenannten „Naz eingraben“ im Haus der Vereine. Nach einer Stärkung geht es für die Matschgerer („Schiangruppe“) als erste Gruppe in das erste Haus. Nach ausgiebigem Tanzen und Feiern kommt dann zu einem späteren Zeitpunkt der „Bujazl“ (der Naz) mit seinen zwei Bahrträgern dazu. Dieser darf so ziemlich alles tun und führt sich dementsprechend auf. An einem vom Bujazl bestimmten Zeitpunkt verlässt ihn während eines Tanzes die Kraft, er fällt zu Boden und bleibt regungslos liegen. Die zwei Bahrträger fragen die Tanzpartnerin, was sie mit dem Bujazl gemacht habe und versuchen dieser die Schuld daran zu geben, dass der Bujazl nicht mehr lebendig wird. Anschließend wird der Bujazl von den Bahrträgern in einer herbeigeholten „Scheibtruch`n“ (Schubkarre) vor das Haus gebracht und auf eine Bahre gelegt. Dort warten schon die anderen Mitwirkenden. Jetzt setzt sich der Trauerzug bestehend aus Bujazl mit Bahrträgern, Pfarrer und Ministrant, Trauerpaaren und der Trauermusik (eine Abordnung der Stadtmusikkapelle Amras) in Bewegung. Sie betreten nochmals das Haus und gehen mit dem ganzen Tross durch dieses. Im Anschluss daran wird die Messe abgehalten und das Dahinscheiden des Bujazl und somit der Fastnacht bedauert. Nach der Messe setzt sich der gesamte Trauerzug wieder in Bewegung und trägt nochmals den Bujazl eine Runde durch das Haus, womit die Fastnacht eingegraben ist. Dieses Fastnachtsspiel wiederholt sich in jedem Matschgerer Haus. Im letzten Haus wird nach dem Eingraben noch gefeiert und getanzt, bis um Punkt Mitternacht der Bujazl auf einen Tisch steigt und seine zwei letzten Worte, „Aus isch`s“, spricht. Damit ist die Fastnacht für dieses Jahr in Amras vorbei. Der letzte Termin der Amraser Matschgerer ist die Aschermittwochsmesse mit anschließendem Fastensuppenessen beim Widum.

Seit Oktober 2020 sind die Amraser Matschgerer offiziell in das „Verzeichnis des Nationalen immateriellen Kulturerbes der UNESCO Österreich“ aufgenommen. Wie ist es dazu gekommen?
Die Idee zur Einreichung des immateriellen Kulturerbes hatte der damalige Obmann Thomas Lechthaler. 2017 ließ er bei der Generalversammlung darüber abstimmen. Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Es wurden mit der UNESCO Wien Kontakte hergestellt und Erkundigungen eingeholt, was man für eine Einreichung alles brauche. Die Matschgerer riefen alle Leute im Dorf schriftlich und mündlich dazu auf, ihre Dachböden, Keller, Fotoalben usw. zu durchstöbern, ob noch etwas Unbekanntes für die Matschgerer von Interesse sein könnte. Wir wollten die Chronik durch neu gewonnene Dokumente, Fotos und Filme aufwerten und aktualisieren, da diese Dinge sonst mit Sicherheit irgendwann verloren gegangen wären.

Im Jahr 2019 übernahm ich als neugewählter Obmann die Geschicke des Vereins. Im April nach der Generalversammlung gründeten wir die UNESCO Fachgruppe der Amraser Matschgerer. Dazu konnten sehr anerkannte Fachleute wie die Volkskundlerin Mag. Dr. Petra Streng, der Historiker MMag. DDr. Lukas Morscher und auch die für die Forschung der Amraser Matschgerer tätige Mag. Maria Ludescher-Bramböck gewonnen werden. Von April 2019 bis Juni 2020 wurde in vielen Sitzungen, Einzelgesprächen, Telefonaten sowie durch zahlreichen Mailverkehr der Antrag für die Aufnahme der Amraser Matschgerer bei der UNESCO akribisch vorbereitet und anschließend übermittelt. Am 23. September letzten Jahres wurde bei der Sitzung des Rates der UNESCO einstimmig beschlossen, dass das Element „Amraser Matschgerer“ in das „Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO Österreich“ aufgenommen wird. Dies wurde uns im Oktober durch die Zusendung der offiziellen Urkunde bestätigt. Die Feierlichkeiten mussten auf Grund der Pandemie aber leider verschoben werden. Im Sommer 2021 wurde das am Hallstätter See in einem sehr würdigen Rahmen nachgeholt und uns die Urkunde offiziell vom Oberösterreichischen Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer und den UNESCO Verantwortlichen übergeben. Als Abschluss für die erhaltene Auszeichnung organisierten die wir im heurigen Oktober einen Kulturabend im Gemeindesaal. Wir freuten uns über die Anwesenheit vieler namhafter Persönlichkeiten aus Politik, Volkskunde, Historiker und der UNESCO Wien, ebenso über die zahlreichen Vertreter der Amraser Vereine, Mitglieder und Gästen. Wir vermittelten in einem sehr kurzweiligen Programm altes und neues Wissen über die Amraser Matschgerer. Ebenso gab es in verschiedenen Podiumsgesprächen Wissenswertes über die UNESCO Wien sowie die Sicht der Volkskundler und Historiker zu hören. Aufgelockert wurde der Abend mit Filmeinspielungen, Fotos, sowie Live Kommentaren von zwei „Altmatschgerern“ zu einem 8mm Film aus den 1960er und 70er Jahren.

Wann kann man die Amraser Matschgerer wieder live bewundern?
Die erste Veranstaltung der Amraser Matschgerer ist traditionell seit fast 30 Jahren das „Matschgerer- und Mullerschaugn“, immer am ersten Freitag nach dem 20. Jänner. Am Tag darauf ist der große Tag der Amraser Jungmatschgerer beim Kinderfasching. Weiter geht es an den Donnerstagen in der Fastnacht, hier kann man die Matschgerer in den Amraser Lokalitäten erleben. Auch bei Bällen im Gemeindesaal Amras sind die Matschgerer dabei. Am unsinnigen Donnerstag, wie schon erwähnt dem „Feiertag in Amras“, trifft man den ganzen Tag über die verschiedenen Matschgerergruppen im Dorf. Am Abend sind wir wieder in den Amraser Lokalitäten zu finden, wo mehrere Gruppen die Gäste belustigen. Am Abend des Fastnachtsdienstages findet das „Naz Eingraben“ in den Amraser Lokalen statt. Außerdem nehmen die Amraser Matschgerer an vielen anderen Veranstaltungen im In- und Ausland teil.

Was ist das Wichtigste für den Verein der Amraser Matschgerer?
Das Wichtigste für uns ist der Fortbestand des fast 400 Jahre alten Brauchtums, sowie die Traditionen des Vereins. Es sollen die Werte und dieses kostbare Kulturgut von Generation zu Generation weitergegeben werden!

Fotos: Amraser Matschgerer, Land Oberösterreich, Maximilian Eigentler
Quelle: www.Freizeit-Tirol.at