War heuer Weihnachten schon im Oktober?
Grandiose Aufwertung für Amras und seine „Matschgerer“ durch die Österreichische UNESCO-Kommission
Grandiose Aufwertung für Amras und seine „Matschgerer“ durch die Österreichische UNESCO-Kommission
Ein Bericht von Mag.a Maria Ludescher-Bramböck
Geben Sie es zu, liebe Leserinnen und Leser, auch Sie haben in der Kindheit Briefe an das „Christkind“ geschrieben. Die darin formulierten Wünsche sind zumeist im Rahmen der Möglichkeiten erfüllt worden. Einen solchen Wunschbrief haben die „Amraser Matschgerer“ am 16. Juni 2020 an die Österreichische UNESCO- Kommission nach Wien geschickt mit dem Ersuchen, in das Immaterielle Kulturerbe aufgenommen zu werden. Das war wagemutig und der Ausgang ungewiss, zumal damit in Tirol schon etliche Fasnachts- Hochburgen ausgezeichnet sind und ein Alleinstellungsmerkmal der Amraser akribisch herausgearbeitet und dokumentiert werden musste. Doch zurück zu den Anfängen dieses mutigen Planes. 2017 ist Thomas Lechthaler, der damalige Obmann der Amraser „Matschgerer“ an mich herangetreten und wollte wissen, was ich von einem diesbezüglichen Ansinnen halte. Daraufhin kontaktierte ich Frau Dr. Petra Streng, ihres Zeichens die absolute Fachfrau und Volkskundlerin auf diesem Gebiet, die schon einige Ansuchen begleitet hat. Ihre ernüchternde Antwort: „Dass die Kommission in Wien das befürwortet, kann ich mir nicht wirklich vorstellen, da müsste Amras schon was ganz Besonderes vorweisen können. Außerdem müsste ein einstimmiger Beschluss der Generalversammlung des Vereins vorliegen.“ Thomas Lechthaler hat das im ersten Moment leicht enttäuscht zur Kenntnis genommen, aber nicht aufgegeben und tatsächlich bei der Generalversammlung mit Bauchweh diesen Punkt zur Abstimmung gebracht. Das Risiko, dass der Traum unerfüllt bleiben könnte, war ziemlich groß, jedoch standen die Matschgerer hinter ihm. Aber wie geht man so ein Ansuchen an? Als erstes das Bewerbungsformular anschauen, was ist gefordert, was sollte dokumentiert werden, wie beschreibt man das „Element“, die Gemeinschaft, die geographische Lokalisierung, die Entstehung und den Wandel samt heutiger Praxis, die soziale und kulturelle Bedeutung, die Wirkung, Risikofaktoren, Maßnahmen zur Erhaltung und kreativen Weitergabe, Öffentlichkeitsarbeit, Bewusstseinsbildung usw. Alle diese Punkte mussten in genau vorgegebener maximaler Wortanzahl formuliert sein, also kurz, knackig und aussagekräftig. Spätestens hier könnte man das Handtuch werfen. Aber die Amraser Matschgerer sind wahrlich keine Weicheier. Nach einer kleinen Weile, in der man die Angelegenheit einmal ruhen ließ und sich eine Vorgangsweise überlegte, gingen die Herren zum Angriff über. Inzwischen war Bernhard Egger Obmann, Thomas Lechthaler sein Stellvertreter. Als solcher und im Verbund mit René Geiger, dem Ehrenobmann des Vereines, bildete sich ab April 2019 ein Dreamteam mit Kampfgeist und fundiertem Ansatz. Es entstand eine „UNESCO-Fachgruppe“ mit der Volkskundlerin Dr. Petra Streng und dem Historiker DDr. Lukas Morscher, die fachlich hervorragende, präzise formulierte Expertisen zum Antrag verfassten. Meine Wenigkeit trieb sich im Tiroler Landesarchiv herum und sichtete riesige, dicke Bücher aus vergangenen Jahrhunderten um Erwähnungen der Amraser Matschgerer zu finden, mit Erfolg. So konnte ich u. a. das Original-Schriftstück aus dem Jahr 1653 entdecken, auf Grund dessen Erwähnung in einer Abhandlung die Matschgerer 2013 ihr großes 360-Jahr-Jubiläum feierten. Zusätzlich waren für das Ansuchen an die UNESCO Unterstützungserklärungen von Amraser Vereinen und Institutionen vonnöten. Alle, aber wirklich alle haben sich dafür bereit erklärt und eine sensationelle Verbundenheit gezeigt, die Amras nun einmal auszeichnet. Befürwortungsschreiben von Persönlichkeiten aus Land, Stadt, Schlossverwaltung Ambras u.v.a.m. rundeten das Ganze ab.
Die Fachgruppe sammelte Bild- und Tondokumente in rauen Mengen, durfte bei Amraser Dorfbewohnern auf deren Dachböden nach alten Masken suchen, unter anderem fanden sie eine 60 Jahre alte Holz-Bärenmaske und vieles mehr. Sie befragten ehemalige Matschgerer nach ihren Erinnerungen, wie den leider vor kurzem verstorbenen Hans Zimmermann. Auch der im Moment älteste Matschgerer, das Ehrenmitglied Hans Schlögl, der noch mit über 80 Jahren mit großer Eleganz die Figur des „Herrn“ gab, konnte wertvolle Erfahrungen beisteuern. Diverses Filmmaterial seit 1982 sowie ein Video vom Unsinnigen Donnerstag 2014, bei dem Dr. Thomas Nußbaumer die Matschgerer vom frühen Morgen über den ganzen Tag begleitete, lagen vor. Zur Einreichung waren professionelle Kürzungen der Videos und Überarbeitungen unzähliger alter Fotos notwendig, sehr unterstützt u.a. durch Lukas Dworschak. Der riesige Zeitaufwand, den alle damit Befassten auf sich genommen ha- ben, ist nicht mehr messbar. An dieser Stelle wäre ein Lob an die Frauen der Matschgerer-Fachgruppe zu richten. Sie brachten viel Verständnis auf, dass sich die Herren über einen längeren Zeitraum fast ausschließlich den Notwendigkeiten für die Einreichung an die Österreichische UNESCO-Kommission gewidmet haben.
Dieser Termin nahte mit Ende Juni. Die geforderten Unterlagen waren als „einzigartiges Gesamtpaket“, das die Amraser Matschgerer in ihrer Tradition pflegen, perfekt aufbereitet und versandbereit. Zur Abrundung des Ganzen hatte sich Bernhard Egger noch etwas Besonderes einfallen lassen. Er kreierte ein Siegel mit dem Vereinslogo und brachte es neben Datum und Unterschrift an (siehe Deckblatt).
Ab dann stellte sich nur mehr die Frage: Wird das was oder doch nicht? Was ist, wenn nicht. „Na, dann haben wir zumindest eine perfekte Matschgerer- Chronik“, so die tröstliche Aussage von Beteiligten. Die Sitzung des Fachbeirates der Österreichischen UNESCO-Kommission war für September anberaumt. Die Einstellung der Mitglieder des Gremiums zum Ansuchen der Amraser und wie damit umgegangen würde, war nicht einschätzbar und erzeugte hohe Nervosität. Die Mitteilung der Generalsekretärin, Frau Mag. Jankovic, über einen positiven Ausgang mit der Aufnahme in das nationale immaterielle Kulturerbe erreichte die Matschgerer während einer Sitzung. Nach einer kurzen Sprachlosigkeit über diesen großartigen Erfolg soll ein unglaublicher Jubel ausgebrochen sein. Besonders beeindruckt habe die Kommission die umfangreichen Doku- mentationen und auch das Siegel sei sehr gut angekommen. Es war zu vernehmen, dass es in diesem Bereich die perfekteste Einreichung gewesen sei. Natürlich informierte man sofort mittels Rundruf Frau Dr. Streng, DDr. Morscher und alle, von denen man annahm, dass sie sich mitfreuen würden. Ein Riesenerfolg und die Belohnung für die viele Arbeit und das Durchhaltevermögen! Zahlreiche Gratulationsschreiben langten ein, vom Landeshauptmann angefangen, bis zum Bürgermeister und anderen honorigen Persönlichkeiten. Sämtliche Radiostationen meldeten sich, ein Interview jagte das nächste und etliche Printmedien berichteten, unter anderem die Tiroler Tageszeitung in ihrer sonntäglichen Beilage „Magazin“.
Amras darf mitjubeln und am Erfolg der „Matschgerer“ mitnaschen, denn bei uns wird Tradition – nun offiziell bestätigt – gelebt, gepflegt und für würdig erklärt, immaterielles Kulturerbe zu sein. Für alle Beteiligten ist es sehr betrüblich, dass die Auszeichnung nicht richtig gefeiert werden darf, auch der traditionelle Start des „Matschger-Gians“ am 20. Jänner 2021 und sämtliche Auftritte fallen der Corona-Pandemie zum Opfer, sie hat uns alle durch die einschränkenden Maßnahmen fest im Griff. Es sei jedoch erlaubt, sich jetzt einmal auf zukünftige Feierlichkeiten zu freuen, es finden bereits Überlegungen und Planungen statt. Bis dahin bleibt uns aber, von Herzen zu gratulieren!
Mag.a Maria Ludescher-Bramböck